Haben Sie einen PKW-Führerschein? Dann ist es für Sie immer schon normal, dass Sie nicht nur Ihren eigenen Wagen fahren, sondern auch den ihres Partners. Der dann aber kein VW Golf Diesel mit Schaltgetriebe, sondern etwa ein 3er BMW Benziner mit Automatik ist. Wir denken gar nicht darüber nach, ob wir den BMW mit unserem Führerschein fahren dürfen, so normal ist der Umstieg. Wir wissen hingegen intuitiv, dass es bei grösseren Fahrzeugen abhängig vom Gewicht des Fahrzeugs eigene Führerscheine gibt, etwa bei Lastkraftwagen oder Bussen, wenn wir eine grössere Anzahl von Passagieren befördern wollen – Stichwort Personenbeförderungsschein. Bei Motorrädern gilt dies sowieso. Die sind ganz anders als Autos, da macht es besonders viel Sinn, seitens der Behörden einen eigenen Führerschein zu erzwingen.
In der Fliegerei ist dies sogar noch genauer geregelt und zwar sehr genau: Bis auf das genaue Muster, das Sie fahren – oh pardon – fliegen wollen. Was genau ein Muster ist, und was als gleiches Muster zählt, ist ebenfalls genau festgelegt. Wenn Sie also bisher Golf Diesel fahren und dann auch BMW Automatik fahren (dürfen) möchten, dann wäre das in die Fliegerei übertragen ein anderes Muster. Aber jetzt endlich konkret zur Hubschrauberfliegerei.
Ausbildung auf einem bestimmten Muster
Angenommen, Sie beschließen, eine Ausbildung zum Privatpiloten (PPL-H – Private Pilotenlizenz für Hubschrauber) zu absolvieren. Für diese sind mindestens 45 Flugstunden vorgeschrieben und die fliegen Sie dann normalerweise auf ein und demselben Hubschrauber – oder je nach Ausstattung der Flugschule auf verschiedenen Hubschraubern des gleichen Musters – etwa auf der Robinson R44, dem derzeit weltweit meistverkauften Hubschrauber weltweit. Die Robinson R44 gibt es in drei verschiedenen Varianten: Astro, Raven I und Raven II. Es gibt aber nur eine Musterberechtigung für die R44. Das bedeutet, dass ein Pilot auch die anderen beiden Varianten verstehen und beherrschen muss. Zugegeben – die Unterschiede sind sehr gering. Aber dennoch da. Nach Abschluss der Ausbildung erhalten Sie dann jedenfalls Ihre Lizenz mit R44 Berechtigung und dürfen dann genau dieses Muster – die Robinson R44 mit allen Varianten – fliegen. Mit dieser Maschine sind Sie aufgrund der Ausbildung vertraut – Sie beherrschen die Anlass- und Abschaltvorgänge, kennen das Flugverhalten und von diesen ganz besonders wichtig: Die Notverfahren. Was Sie als Pilot also tun müssen, wenn etwas passiert, das nicht passieren sollte, etwa eine Warnlampe im Flug Gefahr signalisiert, die Steuerelemente nicht so wollen wie Sie oder sogar schlimmstenfalls der Motor ausfällt. Sie fallen dann übrigens nicht “runter wie ein Stein” – wie ich von Kunden hin und wieder fälschlich höre. Der Pilot muss aber alles richtig machen, um per Autorotation sicher zu Boden zu kommen. Doch zum Thema Autorotation in einem anderen Beitrag mehr. Wie sich die Maschine in solchen Fällen verhält und was der Pilot dann zu tun hat, um das Luftfahrzeug trotzdem sicher zu Boden zu bringen, ist eben sehr stark Muster-spezifisch. Wenn also nun ein anderer Typ Hubschrauber geflogen werden möchte, dann sind hier die Anlassverfahren, das Flugverhalten und natürlich die Notfallmassnahmen entsprechend anders. Um diese Unterschiede kennenzulernen, damit der Pilot den Heli auch in extremen Sondersituationen sicher landen kann, muss er eine Musterberechtigung erwerben. Diese besagt, dass der Pilot in das Muster ordnungsgemäß eingewiesen wurde und die Notverfahren kennt und beherrscht.
Dazu wird er in der Regel mindestens 5 vorgeschriebene Flugstunden durch einen Fluglehrer sowohl praktisch geschult als auch theoretisch eingewiesen. Am Abschluss dieser Ausbildung steht dann ein schriftlicher Test und eine praktische Prüfung. Das bedeutet also, dass der Prüfer mit dem Piloten auf dem neuen Muster etwa eine Stunde fliegt und überprüft, ob der Pilot den Hubschrauber in besonderen Situationen wirklich beherrscht. Nach erfolgreicher Absolvierung des Prüfungsflugs wird dem Piloten dann durch die Behörden eine neue Lizenz ausgestellt, in welcher eingetragen ist, dass er zusätzlich zu den bisherigen nun auch dieses Muster offiziell fliegen darf.
Wen man alles dazu benötigt
An der Erlangung einer neuen Musterberechtigung sind also mindestens 3 Personen aktiv fliegerisch beteiligt:
- Der Hubschrauberpilot (oder formaldeutsch “Luftfahrzeugführer”), der bereits eine Lizenz auf einem bestimmten Muster besitzt und nun auch auf einem anderen Muster fliegen möchte – also eine Musterberechtigung (engl.: Type rating) erwerben will.
- Der Fluglehrer, der dem Piloten das neue Muster erklärt und das auch darf (engl.: Type Rating Instructor oder kurz TRI)
- Der Prüfer, der die Fähigkeiten des Piloten auf dem neuen Muster prüft (engl.: Type Rating Examiner oder kurz TRE). und jemand anders als der Fluglehrer sein muss. Ach ja: Und das auch darf.
Der TRI muss dabei zusätzlich Teil eines genehmigten Ausbildungsbetriebs sein. Das kann eine Flugschule sein, die Personen zu Piloten ausbilden darf (Approved Training Organisation – ATO) oder eine Organisation, die sich lediglich auf Musterberechtigungen spezialisiert hat (Type Rating Training Organisation – TRTO). Belassen wir es dabei, es ist vielschichtig und bürokratisch kompliziert. Wollen Sie alles gar nicht so genau wissen, es ist schrecklich.
Zeitliche Begrenzung
Wer nun glaubt, dass die Musterberechtigungen eines Piloten einmal erworben ewig gültig sind, irrt. Die Berechtigungen sind fast alle zeitlich begrenzt, so auch die Musterberechtigungen. Der Pilot muss jährlich seine Fertigkeiten auf jedem Muster nachweisen und zwar durch einen erneuten kostenintensiven Checkflug. Nach Bestehen dieses Checkflugs wird die Musterberechtigung durch handschriftlichen Eintrag des Prüfers in die Lizenz verlängert und läuft automatisch ab, wenn keine Verlängerung erfolgt. Ein Protokoll des Überprüfungsflugs wird an die Behörden gesendet. Sollte der Pilot mehrere Musterberechtigungen auf sehr ähnlichen aber trotzdem verschiedenen Mustern besitzen, gibt es hier unter Umständen Erleichterungen.
Kosten
Da Hubschrauberfliegen an sich schon recht kostenintensiv ist, ist es natürlich auch die Ausbildung sowie der Erwerb und die Aufrechterhaltung von Musterberechtigungen. Während der Ausbildung sowohl zur Lizenz also auch zu Musterberechtigungen steht ebenso kein zahlender Kunde dahinter, wie bei den Checkflügen und sonstigen Überprüfungen. Diese Kosten müssen durch den Piloten oder seinen Arbeitgeber getragen werden. Wo also besonders teuer, werden Trainings soweit sinnvoll und möglich auf Simulatoren durchgeführt. Simulatoren sind nicht nur kostenreduzierter, sondern auch gefahrloser. Voraussetzung ist natürlich, dass der Simulator den Flug realistisch abbilden und dadurch einen realen Trainingseffekt liefern kann. Das wird ebenfalls durch Behörden geprüft und durch eine entsprechende Zulassung für solche Ausbildungen bestätigt. Kostenpflichtig natürlich.
Meiner Meinung nach ist aber das Sammeln von zahlreichen Musterberechtigungen wenig sinnvoll, wenn ich als Pilot diese Muster nicht wirklich aktiv fliege und lediglich die jährlichen Checkflüge zum Musterberechtigungserhalt absolviere. Aus diesem Grund habe ich persönlich Berechtigungen für sogar zwei Muster verfallen lassen, die ich momentan nicht aktiv fliege und die mir nur Kosten zum Erhalt der Berechtigung verursacht hätten – mich aber mangels ausreichender Praxis immer noch nicht zu einem sicheren Piloten auf diesen Mustern gemacht hätten. Eine Schulung zur Auffrischung der Musterberechtigung ist hier zwar kostenintensiver, aber auch sicherer. Eher mein Ding.
Einige Begriffe:
Verantwortlicher Luftfahrzeugführer – Pilot in Command (PIC)
Muster: Type
Musterberechtigung: Type rating
Fluglehrer: Flight Instructor (FI)
Pilot/Fluglehrer mit Berechtigung der Einweisung auf einem Muster: Type rating Instructor (TRI)
Pilot/Fluglehrer, der einen Piloten bzgl. Musterberechtigung prüfen darf: Type rating Examiner (TRE)
Genehmigte Trainingsorganisation – Approved Training Organization (ATO)
Genehmigte Muster-Trainings-Organisation – Approved Type Rating Organization (TRTO)